Sachsen - Hohe Dynamik in Lausitzer Wolfsterritorien
Landesumweltamt veröffentlicht Ergebnisse aus dem Monitoringjahr 2020/2021
In Sachsen ist die Anzahl der bestätigten Wolfsterritorien auf 34 angestiegen. Das geht aus den Daten des abgeschlossenen Wolfsmonitoringjahres 2020/2021 hervor, die das Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) heute veröffentlicht hat.
Bei den 34 in Sachsen nachgewiesenen Wolfsterritorien handelt es sich um 29 Rudel, drei Paare und zwei territoriale Einzeltiere. Im Monitoringjahr 2019/2020 waren es 27 Rudel und vier Paare. Die Wolfsterritorien konzentrieren sich auf die bisher bekannten Gebiete. Während das Geschehen in Nordsachsen zu stagnieren scheint, lassen die Daten in Ostsachsen eine hohe Dynamik erkennen. Alle neuen sächsischen Territorien liegen östlich der Elbe. Hier sind im Laufe des letzten Jahres sowohl neue Territorien entstanden als auch bestehende wieder verschwunden, was auf einen hohen Konkurrenzdruck unter den Wölfen hinweist.
Hinzugekommen sind die Rudel Halbendorf und Weißwasser. Auch in der Gohrischheide konnte ein Rudel nachgewiesen werden, nachdem der Status im Monitoringjahr 2019/2020 unklar war. Zudem konnte das Wolfspaar Hammerstadt sowie jeweils ein Einzeltier in den Territorien Niesky II und Sagar nachgewiesen werden. Es wird vermutet, dass es sich bei den Einzeltieren in den Territorien Niesky II und Sagar um Rudel handeln könnte. Die Datenlage reichte jedoch bisher nur aus, um Einzeltiere zu bestätigen.
Die neuen Territorien liegen teilweise in Gebieten, die zuvor von anderen Wölfen besetzt waren. So konnten die beiden Rudel Neusorge und Biehain/Niesky im Monitoringjahr 2020/2021 nicht mehr nachgewiesen werden. Auch das Vorkommen Elstra und das vor Kurzem neu nachgewiesene Rudel Weißwasser waren zum Ende des Monitoringjahres 2020/2021 bereits erloschen. Dieser rasche Wechsel verdeutlicht, dass die Territorien in der Lausitz unter den Wölfen hart umkämpft sind. In den Rudeln Nochten, Neustadt/Spremberg, Knappenrode/Seenland und Dauban wurden Doppelreproduktionen nachgewiesen, die ebenfalls als Folge des Konkurrenzdrucks gedeutet werden können. Bei einer Doppelreproduktion sind zwei Wolfsfähen des Rudels gleichzeitig trächtig, sodass sich die Zahl des Nachwuchses im Rudel zusätzlich erhöht.
Eine andere Entwicklung ist westlich der Elbe zu beobachten. In Nordsachsen sind keine neuen Rudel nachgewiesen worden. Die drei bereits bekannten Rudel Delitzsch, Authausener Wald und Dahlener Heide konnten erneut bestätigt werden. Im nördlich von Leipzig gelegenen Delitzscher Rudel hat sich die Wolfsfähe mit ihrem Sohn gepaart, was auf das Fehlen eines geeigneten Partners hindeutet und damit auf die fehlende Zuwanderung neuer Tiere.
Auf dem Erzgebirgskamm gibt es drei grenzübergreifende Wolfsterritorien, die ihren Schwerpunkt auf tschechischer Seite bei Prebuz, Výsluni und Fláje haben. Das im Monitoringjahr 2019/2020 südlich von Marienberg mit dem Status »unklar« beschriebene Gebiet wird im Monitoringjahr 2020/2021 für Sachsen nicht mehr aufgeführt, da Wolfshinweise aus diesem Gebiet dem tschechischen Rudel Výsluni zuzuordnen sind. In der Böhmischen Schweiz sowie dem Lausitzer Gebirge befinden sich ebenfalls zwei grenzüberschreitende Rudel, bei Luzické hory východ und Luzické hory zapad, die ihren Schwerpunkt auf tschechischer Seite haben.
Auch im Raum Moritzburg und im Nationalpark Sächsische Schweiz wurden Wölfe nachgewiesen. Es konnte jedoch nicht abschließend geklärt werden, ob es sich dabei um eigenständige Vorkommen handelt oder ob diese Gebiete von benachbarten Rudeln mitgenutzt werden. Der Status blieb in diesen Gebieten daher unklar.
Insgesamt konnten im Monitoringjahr 2020/2021 87 Welpen in Sachsen nachgewiesen werden, davon sechs westlich und 81 östlich der Elbe. In den grenzübergreifenden Rudeln wurden die Welpen alle auf tschechischer Seite nachgewiesen und werden dort mitgezählt.
Tot aufgefunden wurden in Sachsen 23 Wölfe: 14 Wölfe sind bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen, bei sieben Fällen handelte es sich um natürliche Todesursachen, bei einem Fall um eine illegale Tötung, bei einem weiteren Fall bleibt die Todesursache unklar. Der Schwerpunkt der Totfunde liegt in den Gebieten mit hohen Wolfsvorkommen in Ostsachsen.
Hintergrund:
In Sachsen findet seit 2001 ein fortlaufendes Wolfsmonitoring statt, um die Größe und die Entwicklung des Wolfsvorkommens zu überwachen. Zudem liefert es Informationen zur Biologie und zur Lebensweise der Wölfe. Das Monitoring wird im Auftrag des LfULG vom Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz und dem LUPUS Institut für Wolfsmonitoring und -forschung in Deutschland durchgeführt.
Das Wolfsmonitoringjahr lehnt sich nicht an das Kalenderjahr an, sondern an das biologische »Wolfsjahr«: von der Geburt der Welpen bis zum Ende des erstenLebensjahres. Das Monitoringjahr 2020/2021 umfasst den Zeitraum vom 1. Mai 2020 bis zum 30. April 2021. Die ausführliche Datenauswertung der jährlichen Erhebung kann immer erst im Herbst abgeschlossen werden, wenn die Untersuchungsergebnisse der im Frühjahr gesammelten Genetikproben vorliegen.
Der schneereiche Winter 2020/2021 hatte insbesondere in der Oberlausitz für gute Monitoringbedingungen gesorgt: Spuren im Schnee sowie gefrorener Urin und gefrorene Losungen konnten für genetische Analysen genutzt werden und ermöglichten eine Zuordnung der sehr dichten Territorien.
Die Daten der drei in der Oberlausitz besenderten Wölfe helfen ebenfalls dabei, die Raumnutzung der Rudel besser nachvollziehen zu können. Anhand der Telemetriedaten wird auch deutlich, dass die zur Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest (ASP) gezogenen Zäune die Raumnutzung der Wölfe stark beeinflussen. So hat die im März besenderte zweijährige Wölfin »Rona« (FT14) den vollständig umzäunten Ostteil des Truppenübungsplatzes Oberlausitz bisher nicht verlassen. In den zuvor durch das Rudel Daubitz II genutzten Flächen nördlich des Truppenübungsplatzes wurde im letzten Winter das neue Territorium Sagar nachgewiesen.
Im aktuell laufenden Monitoringjahr 2021/2022 konnten in Sachsen bisher in 15 Rudeln insgesamt 54 Welpen nachgewiesen werden.