Für den Tod einer britischen Touristin in Nordgriechenland 2017 waren höchstwahrscheinlich Hunde verantwortlich
Der tragische Fall einer britischen Frau, die im September 2017 in Nordgriechenland tödlich verunglückte, als sie von Wölfen oder Hunden angegriffen wurde, ist schließlich abgeschlossen worden. Das Gericht stellte fest, dass der Tod auf einen Angriff von Herdenschutzhunden zurückzuführen war und berief sich dabei auf eine wissenschaftliche Untersuchung des Falles. Die ursprünglich in vielen Medien verbreitete Behauptung, Wölfe seien für die tödliche Attacke verantwortlich, ist daher mit hoher Wahrscheinlichkeit unzutreffend.
Am 23. September 2017 fanden Rettungskräfte die sterblichen Überreste einer von Karnivoren stark angefressenen Frau auf dem Wanderweg E6, der die archäologischen Stätten Mesimvria und Maroneia in der Küstenregion der Rhodopen in Nordgriechenland verbindet. In unmittelbarer Nähe der Fundstelle befindet sich eine saisonale Ziegenfarm, die von großen Herdenschutzhunden bewacht wird. Die Behörden untersuchten das Verschwinden der Frau, nachdem sie zwei Tage zuvor einen Notruf abgesetzt hatte, in dem sie berichtete, dass sie von wilden Hunden angegriffen worden sei. Der tragische Vorfall erregte nur wenige Tage später die Aufmerksamkeit der lokalen und internationalen Medien, als der zuständige Gerichtsmediziner sagte, dass nach dem Zustand der Überreste zu urteilen, das Opfer seiner Meinung nach von Wölfen getötet und verzehrt worden war. Diese Aussage wurde auch im gerichtsmedizinischen Bericht wiederholt.
Um zur Lösung dieses einzigartigen Falls beizutragen, hat die Callisto Nature and Wildlife Conservation Society in Zusammenarbeit mit dem Forstforschungsinstitut ELGO-DIMITRA (Thessaloniki, Griechenland), welches sich mit Mensch-Wildtier-Konflikten befasst, eine Untersuchung durchgeführt. Diese umfasste Feldarbeit mit dem Einsatz von Wildkameras (Oktober - Dezember 2017) sowie eine umfangreiche Literaturrecherche, um geeignete Kriterien zu definieren, die mit dem Risiko eines Angriffs eines Wolfs und/oder eines Hundes auf einen Menschen verbunden sind. Nach Abschluss der Untersuchung wurde ein Fallbericht für die zuständigen Behörden erstellt und anschließend in Form eines Forschungsartikels in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift veröffentlicht.
Den Untersuchungsergebnissen zufolge waren ausreichende Daten für die Bewertung von 11 der 13 in Frage kommenden Kriterien verfügbar. Für die verbleibenden zwei Kriterien wurden die erforderlichen Daten entweder nicht analysiert (d. h. DNA von Caniden, die am Ort des Angriffs gesammelt wurden), nicht angemessen gesammelt (d. h. DNA aus den Mäulern der verdächtigen Hunde) oder zwar gesammelt, aber falsch interpretiert (d. h. postmortale Verzehrmuster von Fleischfressern an der Leiche des Opfers). Durch die Kombination der verfügbaren Beweise kam die Studie zu dem Schluss, dass es sich in diesem Fall um einen tödlichen Hundeangriff handelte. Diese Schlussfolgerung wurde durch folgende Fakten gestützt: a) hohe Überschneidung von Hund-Mensch-Aktivitäten im Gegensatz zu nahezu keiner Überschneidung von Wolf-Mensch-Aktivitäten am Ort und zur Zeit des Angriffs, b) Vorhandensein eines großen Rudels unbeaufsichtigter Hunde, c) hoher Anteil an männlichen Hunden in diesem Rudel, d) unmittelbare Nähe des Angriffsorts zum Grundstück des Hundebesitzers und e) frühere dokumentierte Aggression dieser Hunde gegenüber Menschen. Das Verzehrverhalten, der zeitliche Ablauf und der Fundort der Überreste des Opfers deuten darauf hin, dass der Leichnam posthum verzehrt wurde. Ob daran dieselben Hunde und/oder wilde Aasfresser, einschließlich Wölfen beteiligt waren, konnte nicht abschließend geklärt werden.
In seiner Entscheidung vom 24. September 2022 kam das Gericht zu dem Schluss, dass der Tod auf einen Angriff der Herdenschutzhunde zurückzuführen war, die zu der Ziegenherde gehörten, welche vorübergehend im Corral in der Nähe des Anschlagsortes gehalten wurde.
Wolfsangriffe auf Menschen sind sehr selten, dagegen kommen Hundebedingte Verletzungen auch in Europa häufig vor. Ein multidisziplinärer Ansatz bei der Bewertung mutmaßlicher Angriffe von Wildtieren auf Menschen kann Fehleinschätzungen der in Frage kommenden Spezies durch die gerichtsmedizinischen Behörden verringern und somit eine unbegründete Verringerung der öffentlichen Toleranz gegenüber Großkarnivoren verhindern.
Darüber hinaus müssen die Risiken im Zusammenhang mit freilaufenden Herdenschutzhunden in Tourismusgebieten sorgfältig bewertet werden, um Verletzungen und Todesfälle bei Menschen zu vermeiden. In der Studie werden praktische Maßnahmen vorgeschlagen, mit denen die Wahrscheinlichkeit künftiger Angriffe durch Herdenschutzhunde verringert werden könnte. Dazu gehören die Registrierung und Vor-Ort-Bewertung von Viehhaltungen mit freilaufenden Herdenschutzhunden in Bezug auf die davon ausgehenden Risiken sowie die Verwendung spezieller Schilder zur Information von Wanderern und Besuchern.
Die wissenschaftliche Publikation ist unter folgendem Link abrufbar:
https://natureconservation.pensoft.net/article/81915/